Anke

 

Schädelhirntrauma

Im Sommer 1997 hatte ich im Alter von 25 Jahren einen Fahrradunfall, Schädelbasisbruch, Kopf-Operation.

In den Wochen nach der Operation sank auf der rechten Stirnseite der Schädelknochen ein.

Fünf, sechs Jahre später habe ich mich mit viel inneren Widerständen dazu gebracht, das Thema "kosmetische Operation" anzugehen. Es gab zwei Operationen mit viel Hoffnung und Wochen des Rückzuges, wo ich ruhige Musik, harmlose Filme anguckte.

In den Wochen nach der Operation sank auf der rechten Stirnseite der Schädelknochen ein.

 

Als Lady Di sechs Wochen nach meinem Unfall tödlich verunglückt, beschließe ich, keine Weinkrämpfe mehr zuzulassen und mich nervt mein Selbstmitleid. Sie ist gestorben. Ich lebe. Ich bin dankbar, nicht im Rollstuhl zu sitzen wie andere Menschen nach einem vergleichbaren Unfall. Verdränge hervorragend, womit ich nicht umgehen kann.

 

Inzwischen bin ich seit 15 Jahren glückliche Lehrerin. Mein Verdrängen war erfolgreich, lässt sich aber nicht unbegrenzt fortsetzen. Das Trauma ist schwer zu greifen. Ich springe immer wieder heraus. Handfestes „Denkmal“ ist meine Stirn. Ich habe dadurch wichtige Jahre in meinem Leben verloren, ich war nie wirklich 25 oder 35. Ich habe nicht nur den Unfall und seine Folgen, sondern auch die jungen wilden Jahre in meinem Leben verdrängt.

 

Es ist unglaublich verwirrend mit 47 Jahren Anteile in mir zu haben, die sich so wie 22 oder 23 Jahre anfühlen, so alt wie mein Unfall dieses Jahr (2019) geworden ist. Es sind zwei Zeitachsen in mir, die verlorene Zeit und der damit verbundenen Nachholbedarf und mein Leben jetzt.

 

Mutprobe Fotoshooting.

Auf der Suche nach Menschen, die ihre Narben und Behinderungen fotografieren lassen, stoße ich im Internet auf Michael Kröning. Ich bin Michael unendlich dankbar. Er hat sich von der ersten E-Mail an als ein Mensch gezeigt, bei dem „alles“ willkommen ist. Ich fühle mich sicher und professionell bei ihm wie in einem schützenden Tank aufgehoben. Dieser Tag im Herbst 2019 hilft mir, gelassener damit umzugehen, wenn ich merke, wenn ich selber oder andere Unangenehmes nicht wahrnehmen wollen so wie es ist. 

 

Was ich außerdem in mein weiteres Leben mitnehme, sind viele unterschiedliche Bilder von mir. Irgendwie sind an diesem verregneten Herbsttag meine Zeitachsen wieder zusammengefügt worden und ich kann einen roten Faden in den anscheinenden unzusammenhängenden Fotos erkennen. Natürlich schaue ich in den Spiegel, aber erst durch die Fotos sehe ich mich wirklich wie ich heute bin.

 

Ich mag meine Falten, weil sie mir zeigen, dass ich bald 50 Jahre alt bin.